Ludger Tusch, U-16-Trainer des 1. FC Magdeburg, beschäftigt sich seit längerem mit der „Typ-Frage“.

Eine Frage des Typs

NLZ

„Elf Freunde müsst ihr sein!“ Diesen Satz haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, bestimmt schon einmal in irgendeinem Fußball-Zusammenhang gehört, vielleicht darüber geschmunzelt oder auch überlegt, ob Ihr Lieblingsverein solch ein „Elfer-Gespann“ ist. Dieser Titel eines Jugendbuchs aus den 1950er-Jahren stammt ursprünglich von der Vorgängerin der heutigen Fußball-Meisterschale und wird erst vollständig durch „… wenn ihr Siege wollt erringen.“ Fußball ist Ergebnissport und besitzt durch seine publikumswirksame Spielweise eine immense Strahlkraft. Einzelne Spieler einer Mannschaft werden auch gern als „Fußball-Götter“ tituliert. Bringen also diese Siegertypen den Erfolg? Sind „Leader-Typen“ auch im Nachwuchsfußball Punkte-Garanten? Und gibt es diesen „Elferclub“ tatsächlich und nicht nur als Kaltgetränk?

Wenn junge Fußballer nach ihrem Berufswunsch gefragt werden, hätte Fußball-Deutschland ein unerschöpfliches Reservoir an Profikickern. Klar, dass auch die Magdeburger Jungs am HB-Immobilien-Nachwuchsleistungszentrum von „Plan A“ träumen und dafür jeden Tag trainieren. Einige der hoffnungsvollen Nachwuchsfußballer werden diesen Traum leben können; für viele andere jedoch bleibt diese Zeit die Episode Fußball mit Erinnerungscharakter.


Klar, wer motiviert ist und positiv angetrieben handelt, hat mehr Spaß an der Sache und agiert erfolgreicher. Trotzdem geht nicht jeder Kicker jeden Tag „gespannt wie eine Bogensehne“ zum Training und hat abends das Hochgefühl der Zufriedenheit. Das Spannungsfeld zwischen eigenem Anspruch, den Anforderungen im Sport und dem persönlichen Bedingungsfeld, und das noch als Pubertier – spannender kann das Aufgabenfeld eines Trainers kaum sein.

Ludger Tusch, U-16-Trainer des 1. FC Magdeburg, beschäftigt sich seit längerem mit der „Typ-Frage“, aber fernab der landläufigen Einordnung beispielsweise in „Leader“, „Kopf“, „Individualist“ oder „Motor“; auch die Einteilung in „Trainingsweltmeister“, „Überhebliche“ oder „Unmotivierter“ scheint dem engagierten Hinterfrager nicht der optimale Ansatz zu sein.

Ein interessantes Gespräch mit Felix, U-16-Innenverteidiger und Mitglied des Mannschaftsrates, zeigte mir, dass der Tusch-Ansatz, der sich an der „Achievement Goal Theory“/AGT orientiert, schon wichtiger Bestandteil des Trainingsansatzes ist. Die unterschiedlichen Vorstellungen von Leistung, wenn man etwas erreichen möchte, spiegeln die Jungs durch ihr Verhalten wider. Wettkampf- oder Aufgabenbezogenheit, das ist hier die (Typ)Frage! Haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, zum Beispiel beim Joggen eher die Verbesserung der gelaufenen Zeit im Fokus oder eher die Verbesserung der Lauf- und Atemtechnik? Mag dieser Vergleich stark heruntergebrochen klingen, er ist auf AGT übertragbar. Im aufgabenorientierten Fokus wollen die Jungs „besser werden“, sich einen persönlichen Maßstab setzen, ohne sich unbedingt mit anderen vergleichen zu müssen. Anstrengung ist ein Zeichen von Stärke, aus Fehlern kann bzw. muss man lernen. Wichtig ist also die Entwicklung. Wettkampforientierung erkennen Sie unter anderem daran, dass der Vergleich mit anderen gesucht wird. Fehler bewerten die Jungs als Katastrophe, äußerst wichtig ist der Punktestand in der Tabelle oder auch das Vergleichen der Einsatzzeiten. Oft sind persönliche Zielsetzungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt.


Jetzt kommen Sie ins Spiel, liebe Leserinnen und Leser, versetzen Sie sich nur für die Dauer eines Spiels im Jugendbereich in die Person des Trainers oder der Trainerin. Sie wissen, dass leistungsorientierter Sport wettkampfbasiert ist. Schließlich müssen Sie mit ihrem Team liefern. Welche der beiden AGT-Typen in Ihrem Team wird längerfristig neben Erfolgen (auch diese muss man aushalten!) auch mit Niederlagen oder einer “Durststrecke“ umgehen können? Ob Sie dann noch an der Seitenlinie stehen, stellt die Autorin erst einmal an zweite oder dritte Stelle.

Analysen bestätigen, dass Sportlerinnen und Sportler mit Aufgabenorientierung mehr Spaß am Sport haben und auf lange Sicht die bessere Entwicklung nehmen. Motivationskrisen sind nicht so häufig wie bei der wettkampforientierten Herangehensweise. Geringere Wahrscheinlichkeit für Burnout und für weitere negative Auswirkungen auf die Gesundheit sind nachgewiesen.

Gemeinsamer Torjubel (jeder Spieler ist dabei), die Straße zum Ziel nicht unbedingt gerade, sondern in Serpentinen denken, Feedback-Gespräche auch außerhalb der der geplanten Termine – das sind nur einige Maßnahmen, die zurzeit auf der U-16-Methoden-Agenda stehen. Und wie ordnen die Magdeburger Jungs die „Magdeburger DNA“ ein? Also Fleiß, Verantwortung, Mut, Respekt, Disziplin, Gemeinschaft und Bescheidenheit? Schließlich versteht doch jeder junge Kicker andere Dinge darunter. Ludger Tusch schreibt seinen Schützlingen nicht „den Mut“ oder „den Respekt“ vor. Den Weg zum Ziel (siehe kurvenreiche Bergstraße) findet jeder, wenn er das Geländer als Orientierung benutzt. Den Berg (Spielende / Saisonende / Turnierende) haben dann im besten Fall noch alle elf Fußballer gemeinsam erreicht.

Text: FCM / Almuth Steinhoff
Fotos: FCM / Uwe Ventzke & Norman Seidler