Bericht Europapokal-Halbfinal-Hinspiel 1974 in Lissabon

Der Weg nach Rotterdam

Verein

4.000 Spendentickets sind im Rahmen der gedanklichen Reise nach Rotterdam, welche am 08.05.2020 stattfindet, vergeben worden. Block U und FanRat e.V. des 1. FC Magdeburg haben alle Clubfans zur Spendenaktion aufgerufen und verkaufen dabei Ticketpakete für das sich zum 46. Mal wiederholende Ereignis des Europapokalsieges von Rotterdam. Eintrittskarten gibt es im Solo, im Zugfahrkarte oder Flugticket. Bereits 4.000 FCM-Fans haben sich eingebucht und wollen dabei sein. Anlässlich dieser Marke gibt es den Spielbericht vom Halbfinal-Remis und Hinspiel im Europapokal vom 10.04.1974 zum Nachlesen.

Informationen und Spendenmöglichkeit unter: https://1974.fcmfanblock.com.

 

BLICK IN DIE HISTORIE – EUROPAPOKAL DER POKALSIEGER 1973/74

10.04.1974 HALBFINALE SPORTING LISSABON - 1. FC MAGDEBURG 1:1

Nach Siegen über den NAC Breda, Banik Ostrava und Beroe Stara Zagora bekam der 1. FC Magdeburg im Europapokalwettbewerb der Pokalsieger den ehemaligen Cupgewinner Sporting Lissabon als Gegner für das Halbfinale zugelost. Zunächst mussten die Blau-Weißen nach Portugal reisen. Als sich der Tross des frischgebackenen DDR-Meisters am Montagmorgen vom Flughafen Berlin-Schönefeld auf die Reise nach Lissabon machte, dürfte zumindest bei den mitreisenden Funktionären noch die Meisterfeier vom Samstag in den Knochen gesteckt haben. Nicht im Flieger saß übrigens Heinz Krügel, der bereits seit Samstag in Portugal weilte und Sporting beim 4:2 Heimsieg über Vitoria Setubal beobachtete. Er empfing die Mannschaft selbstverständlich am Flughafen Lissabon-Portela und gratulierte seinen Jungs zur zweiten DDR-Meisterschaft.

Als am späten Mittwochabend des 10. April 1974 unsere Mannschaft zur ungewohnten Anstoßzeit von 21:45 Uhr den Rasen des Estadio Jose de Alvalade zum bis dahin wichtigsten Spiel der Vereinsgeschichte betrat, konnte die zahlreiche Anhängerschaft in der Heimat nicht vor dem Fernsehbildschirm die Daumen drücken, da dem DDR-Fernsehfunk die Übertragungskosten zu hoch waren. Die 2. Halbzeit war wenigstens in voller Länge auf Radio DDR zu hören.

Trainer Heinz Krügel musste auf den gelbgesperrten Mittelfeldregisseur Jürgen Pommerenke verzichten. Er zog Jürgen Sparwasser ins Mittelfeld zurück und brachte Siegmund Mewes als zweite Sturmspitze. Die Portugiesen übernahmen von Beginn an die Kontrolle, angetrieben von ihren fanatischen Fans, die einen Höllenlärm verursachten. Bereits nach 40 Sekunden verhinderte Torhüter Uli Schulze mit einer Glanztat gegen Marinho einen Rückstand. Es war die erste von zahlreichen Großparaden, die der gebürtige Darlingeröder zeigen musste. Im Laufe des Spiels wurde er zum Helden von Lissabon. Es entwickelte sich ein hochklassiges Spiel, auch weil der 1. FCM selbst versuchte offensive Akzente zu setzen. Trotz allem war die FCM-Abwehr gefordert und musste 90 Minuten Schwerstarbeit leisten. Mit Glück und Geschick, Enge und Decker mussten jeweils auf der Linie klären, konnten die Magdeburger mit einem 0:0 in die Halbzeitpause gehen.

Ankunft Lissabon EC HF 74
Ankunft des FCM-Teams am Flughafen in Lissabon. Foto: privat.

In den zweiten 45 Minuten nahm die Dramatik zu. Unglaublich die 180 Sekunden zwischen der 52. und 55. Minute. Nach einer Flanke in den FCM-Strafraum musste Schulze Kopf und Kragen riskieren und wurde beim Abwehrversuch von einem Sporting Spieler im Fünfmeterraum zu Boden gerammt. Er blieb benommen liegen und war sogar einige Sekunden ohne Bewusstsein. Den Nachschuss klärte Abraham mit der Hand. Der bulgarische Schiedsrichter Nikolow zeigte sofort auf den Elfmeterpunkt. Die Ausführung ließ drei Minuten auf sich auf sich warten, da Schulze behandelt werden musste. Noch leicht benommen kehrte er ins Tor zurück und wehrte den Ball von Dinis ab. Fünf Minuten später war Schulze dann schon geschlagen, aber Decker konnte erneut den Ball noch vor Überschreiten der Torlinie herausschlagen. Im Gegenzug ein Konter der Gäste. Hoffmann passte auf Sparwasser und der konnte den Ball nach einem Pressschlag mit Libero Alhinho im Sporting-Tor unterbringen.

Der Gastgeber zeigte sich nicht geschockt und verstärkte noch einmal seine Angriffsbemühungen. Immer wieder flogen die Flanken in den Magdeburger Strafraum. Allein in der zweiten Halbzeit betrug das Eckenverhältnis 12:0 für die Sporting-Elf. Doch die vielbeinige FCM-Abwehr mit Uli Schulze als Turm hielt dem Druck stand - bis zur 76. Minute. Nach einem Freistoß aus halblinker Position kam der FCM-Torhüter nicht an den Ball und Manaca konnte zum Ausgleich einköpfen. In der folgenden Schlussoffensive, in der lediglich Hoffmann zweimal für etwas Entlastung sorgen konnte, hielt das FCM-Bollwerk stand.

SportingFCM1
Wimpelübergabe der Kapitäne bei Anstoß. Foto: Printmedien.

Eine Schrecksekunde mussten die Blau-Weißen in der dreiminütigen Nachspielzeit noch überstehen. Ein Abwehrversuch von Manfred Zapf landete am Innenpfosten. In allerletzter Sekunde hätte der FCM den Spielverlauf noch komplett auf den Kopf stellen können, aber Schiedsrichter Nikolov fehlte der Mut auf den Strafstoßpunkt zu zeigen, als Hoffmann bei einem Entlastungsangriff von zwei Portugiesen im Strafraum in die Zange genommen wurde. Stattdessen gab es indirekten Freistoß, der aber nichts mehr einbrachte. Unmittelbar darauf ertönte der Schlusspfiff. Der 1. FCM hatte sich im Hexenkessel von Lissabon nach großem Kampf, aber auch mit dem nötigen Glück, eine hervorragende Ausgangsposition für das Rückspiel erkämpft.

 

Statistik

Sporting Lissabon (schwarze Hose / grün-weiß quergestreiftes Hemd): Damas – Alhinho – Manaca, Bastos,  Carlos Pereira (73. Joaquim Rocha) – Paulo Rocha (73. Tomè), Vagner, Baltasar – Marinho, Chico, Dinis
Trainer: Mario Goulart Lino

1. FC Magdeburg (weiße Hose / weißes Hemd mit breiten blauen Längststreifen): Schulze – Zapf – Enge, Abraham, Decker – Raugust, Tyll, Sparwasser, Seguin – Mewes (78. Hermann), Hoffmann
Trainer: Heinz Krügel

Tore: 0:1 Sparwasser (62.), 1:1 Manaca (76.)
Zuschauer: 45.000 im Estadio Jose de Alvalade, Lissabon
Besonderes: 52.) Schulze hält Handstrafstoß von Dinis

Trainer Heinz Krügel nach dem Spiel: „Mir war klar, dass Sporting eine echte Herausforderung für unsere Mannschaft darstellen würde. Dinis, Manaca, Vagner, Marinho, Alhinho oder Damas, alles perfekte Akteure, völlig zu neutralisieren, ließ sich zwar nicht realisieren. Da jedoch in der Deckungsarbeit jeder seine Pflicht erfüllte, erhielten die Portugiesen nicht jenen großen Bewegungsfreiraum, den sie für ihr Spiel benötigten. Mir imponierte die ruhige, selbstbewusste Art der Mannschaft, ihr Wille zur kämpferischen Steigerung. Wie in keinem voraufgegangenen Treffen in dieser Saison demonstrierte sie in Lissabon ihre gewachsene Reife. Von der Sporting-Abwehr sah ich genug, um unsere Chancen für das Rückspiel günstig zu beurteilen. Jeder weiß selbst am besten, wie groß unsere Endspiel-Chance ist. Wir können uns selbst belohnen! Wobei wir selbstverständlich im Rückspiel bei aller Angriffsfreude die Deckungsdisziplin nicht vernachlässigen dürfen.“

Wussten Sie schon ….?: dass Wolfgang Abraham nach heutiger Regelauslegung für das Europapokalfinale 1974 gesperrt gewesen wäre. Seine Rettungstat mit der Hand im eigenen Strafraum beim Halbfinal-Hinspiel in Lissabon wäre als Vereitelung einer Torchance bewertet wurden, was automatisch Platzverweis bedeutet hätte. Da er in der laufenden Runde schon eine Rote Karte gesehen hatte, wäre das Strafmaß nicht unter zwei Spielen Sperre ausgefallen.