Im Trainingslager in Fieberbrunn sprachen wir mit unserem Neuzugang Ahmet Arslan.

„Ich spiele mit sehr vielen Emotionen.“

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FCM fragt nach bei: Neuzugang und Offensivspieler Ahmet Arslan

Mit Ahmet Arslan hat der 1. FC Magdeburg den Drittliga-Torschützenkönig der vergangenen Saison verpflichtet. Der 29-Jährige hat in seiner Karriere schon einiges erlebt und spricht im FCM-Interview über den Grund für seinen Wechsel zum FCM, den Norden sowie sportliche Rückschläge und den Umgang damit.

Hallo Ahmo, noch mal herzlich Willkommen beim FCM. Wie gut hast Du Dich bereits eingelebt?

Ahmet Arslan:
Die ersten Eindrücke sind sehr gut. Die Vorbereitung ist natürlich intensiv, aber ich wurde gut aufgenommen, was es einem neuen Spieler immer einfacher macht. Auch wenn es wie eine Floskel klingt: Ich fühle mich nicht so, dass ich erst seit zwei Wochen beim Club bin, sondern bereits viel länger. An sich bin ich ein sehr offener Mensch, der auch mal einen Spruch macht, diesen Spaß brauche ich. Umso mehr kommt dann auch meine Persönlichkeit zum Tragen. Dass es so schnell so gut war, hatte ich bisher selten.

Was hat Dich in den ersten Tagen am meisten überrascht?

Ahmet Arslan:
Nichts wirklich. Ich habe ja bereits den einen oder anderen Vereinswechsel mitgemacht. Da geht es vor allem darum, sich an die neuen Abläufe zu gewöhnen, an den Trainingsweg und die Ansprechpartner. Das war jetzt auch so, viel mehr als den Trainingsplatz und das Hotel konnte ich noch nicht sehen. Das wird sich hoffentlich bald aber ändern und ergeben.

Warum hast du Dich für den Club entschieden?

Ahmet Arslan:
Es ist kein großes Geheimnis, dass ich nach der vergangenen Saison einige Anfragen hatte und mich auch mit einigen Verantwortlichen und Trainern unterhalten habe. Das war auch beim FCM so. Letztendlich hatte ich beim Club noch mal ein anderes Gefühl und habe mich deshalb für Magdeburg entschieden. Ich bin davon überzeugt, dass der Fußball zu mir passt. Der FCM hat in der vergangenen Saison einen richtig guten Fußball gespielt. So hatte ich ein gutes Gefühl, musste aber noch einige Details mit meinem Stammverein Holstein Kiel klären. Deshalb hat es etwas gedauert, ich wäre gerne schon einige Tage früher beim Club gewesen. Wichtig war aber, dass ich ab dem Trainingslager mit dabei sein konnte.

Welche Berührungspunkte hattest du zuvor mit dem FCM?

Ahmet Arslan:
Mit Manuel Farrona Pulido hat ein sehr enger Freund von mir hier gespielt. Ihn hatte ich mit einem gemeinsamen Freund früher auch mal in Magdeburg besucht, mir ein Landespokalspiel angeschaut und das Wochenende in der Stadt verbracht. Das waren private Berührungspunkte. Ansonsten war ich als Gegner in Magdeburg. In Erinnerung sind mir die Lautstärke und die Atmosphäre im Stadion geblieben.
 


Du hast mal gesagt, dass Pfiffe im Stadion gegen Deine Mannschaft oder Dich nicht kontraproduktiv, sondern anstachelnd sind. Ist es so, dass Dich vermeintliche Hindernisse eher anspornen?

Ahmet Arslan:
Das kann ich gar nicht so gut erklären. Mit Baris hatte ich kürzlich erst darüber gesprochen, weil es ihm ähnlich geht. Wir sind Spielertypen, die von Gegnern nicht sonderlich gemocht werden. Natürlich gab es auch bei mir immer mal provokante Jubel, die aber auch eine Reaktion auf eine Aktion von gegnerischen Fans waren. Ich spiele mit sehr vielen Emotionen und zeige diese auch mal gerne. Deshalb gefällt es mir auch mal, von gegnerischen Fans ausgepfiffen zu werden.

Du warst in der vergangenen Saison Torschützenkönig in der 3. Liga. Wie blickst Du auf die vergangene Spielzeit?

Ahmet Arslan:
Es war ein unfassbares Jahr, wahrscheinlich das beste Jahr meiner bisherigen Laufbahn. Es war eine richtig gute Zeit, hat mir sehr viel Spaß gemacht. Durch dieses gute Jahr durfte ich jetzt zum FCM wechseln. Viele Club-Fans haben mir geschrieben und gesagt, dass sie sich freuen, dass ich jetzt in Magdeburg bin, sie sich aber auch gefreut hätten, wenn es das Ostderby gegen Dynamo Dresden wieder in der 2. Bundesliga gegeben hätte.

Was war Dein bisher größter sportlicher Erfolg?

Ahmet Arslan:
Das ist schwer zu sagen. Wenn man nur die Statistik sieht, dann war es zuletzt die beste Saison meiner Laufbahn. In meiner Karriere hatte ich bereits einige Momente, in denen ich hingefallen bin und schwierige Zeiten hatte. Es war ein Auf und Ab. Das sehe ich aber nicht negativ, sondern genau im Gegenteil: Vielleicht war das die Grundlage, damit ich eine solche Saison wie die vergangene spielen konnte. Allerdings wäre es mir lieber gewesen, dass ich lieber weniger Tore erzielt hätte, wenn wir aufgestiegen wären.
 


Du kommst sehr reflektiert rüber. Wie hast Du es geschafft, mit Rückschlägen so gut umzugehen und daraus Kraft zu ziehen?

Ahmet Arslan:
Ehrgeiz war die wichtigste Eigenschaft. Eine prägende Erfahrung hatte ich in Osnabrück, als ich eine sportliche Fehlentscheidung getroffen hatte, als ich einen Elfmeter in die Mitte gelupft und verschossen hatte. Danach war ich außenvor und bin den Schritt zum VfB Lübeck zurück in die Regionalliga gegangen. Alte Bekannte von mir hatten mich gefragt, ob es das nach dem guten Weg, den ich eingeschlagen hatte, für mich mit dem Fußball war. Das hat meinen Ehrgeiz geweckt und dazu geführt, dass ich es genau diesen Leuten zeigen wollte, dass die Regionalliga nicht meine Endstation ist. Dafür habe ich alles gegeben und bin dann von Ole Werner für Holstein Kiel verpflichtet worden. Er hatte mir gesagt, dass er mich aufgrund der sportlichen Qualität haben wollte, aber auch, weil ich ein Spieler bin, den man nicht unterkriegt.

Was gefällt Dir am Fußball besonders?

Ahmet Arslan:
Das Gute ist, dass Fußball nicht erklärbar ist. Es gibt fast wöchentlich Situationen, die kaum zu fassen sind. Beispiele dafür sind die letzten Spieltage in der 1., 2. und 3. Liga, als es innerhalb von Minuten extreme Ereignisse und Wendungen gab. Man muss das einfach fühlen, um es nachempfinden zu können. Jeder, der sich mit dem Fußball etwas intensiver beschäftigt, weiß, wovon ich spreche.
 


Du bist in Memmingen im Allgäu geboren. Welche Erinnerungen hast du an diese Zeit?

Ahmet Arslan:
Meine ersten Fußballerinnerungen sind im Allgäu beim TSV Ottobeuren. Mein erster Trainer hieß Poldi, wie der Fußballer. Das werde ich nie vergessen, weil es die ersten Berührungspunkte waren. Auch erinnere ich mich an den einen oder anderen Spaß, den mein drei Jahre älterer Bruder und ich gemacht haben. Viel mehr ist es aber nicht, da wir relativ früh in den Norden gezogen sind. Ich liebe es aber trotzdem auch gerade jetzt im Trainingslager, auf die Berge zu schauen. Das gibt mir Ruhe und ein vertrautes Gefühl.

Hattest Du früher einen bayerischen Dialekt und wenn ja, wie hast Du ihn Dir abgewöhnt?

Ahmet Arslan:
Als ich in die Grundschule gekommen bin, bin ich mit meinem Dialekt aufgefallen, da die meisten Kinder mit norddeutschem Einschlag gesprochen haben. Einige Kinder fanden das etwas lustig, deshalb habe ich es mir wahrscheinlich abgewöhnt. Trotzdem finde ich bayerischen Dialekt sehr sympathisch und es mittlerweile schade, dass ich ihn nicht mehr spreche.

Groß geworden bist Du dann im Norden, hast in Lübeck, Hamburg, Osnabrück und Kiel gespielt. Würdest Du Dich als Nordlicht bezeichnen?

Ahmet Arslan:
Ja, schon. Die meiste Zeit habe ich im Norden verbracht. Fast alle meine Freunde wohnen in Hamburg, wo ich auch gerne bin. Dort fühle ich mich zu Hause und glaube, dass ich in Hamburg irgendwann meinen Lebensmittelpunkt haben werde. Ein vertrautes Gefühl habe ich aber auch in Ottobeuren, da ich dort noch Familie habe.
 


Was macht den Norden aus Deiner Sicht aus?

Ahmet Arslan:
Das sind natürlich die Familie, die Freunde und auch Hamburg als Stadt an sich. Dort habe ich immer Anlaufpunkte, ein sehr vertrautes Gefühl.

Wie bist Du zum Fußball gekommen?

Ahmet Arslan:
Mein älterer Bruder hatte Fußball gespielt, da war es klar, dass ich auch dabei sein wollte. Ich bin auch froh, dass es damals noch keine Smartphones gab. Neben Treffen mit meinen Freunden und dem Kindergarten war ich immer kicken. Es hat nicht lange gedauert, mich vom Fußball zu überzeugen (schmunzelt).

Was machst Du, wenn Du nicht auf dem Rasen stehst?

Ahmet Arslan:
Der Fußball nimmt schon den größten Teil ein. Ich liebe und lebe diesen Sport einfach komplett. Es gibt kaum eine Sekunde, in der ich nicht darüber nachdenke. Nach einem nicht so guten Training fahre ich mit schlechter Laune nach Hause. Wenn ein Spiel gut war, prägt das die Tage positiv, dann bin ich lebensfroh. Es ist nicht einfach ein normaler Job, den man abstreifen kann. Ich versuche, mir auch immer einzureden, dass es noch etwas anderes als Fußball gibt. Das fällt mir nicht leicht. Dabei hilft mir aber meine Religion, aus der ich viel Kraft ziehe.

Ist der Glaube Dein Ruhepol, der Dir Ausgleich verschafft?

Ahmet Arslan:
Absolut. Wenn ich den verpassten Aufstieg mit Dresden nehme: Das hatte mich sehr getroffen, da ich erfolgreich sein möchte. Meine Religion lehrt mich aber, immer dankbar zu sein. Da zählen ganz andere Dinge, die mir Halt geben. Da geht es darum, wie privilegiert wir sind, dass wir froh sein können, gesund zu sein. Ein großes Zitat ist für mich: „Dankbar zu sein, für alles, was man bekommt, aber auch dankbar zu sein, für all das, was man nicht bekommt.“ Ich bin davon überzeugt, dass alles, was ich nicht bekomme, mit etwas positivem zu tun hat. In Kiel hatte ich mich verletzt, mir das Kreuzband gerissen. Anfangs war ich extrem traurig. Mit etwas Abstand denke ich aber, dass das vielleicht der Grund war, jetzt hier sitzen zu dürfen, dass ich zuletzt eine solche Saison gespielt habe. Ich versuche, immer das Positive zu sehen und dankbar zu sein.


Interview: 1. FC Magdeburg / Manuel Holscher
Fotos: 1. FC Magdeburg / Norman Seidler, Tobias Barthel, Manuel Holscher