„Das sind Momente, die

ich nicht vergessen werde“

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FCM fragt nach bei: Otmar Schork

Im November 2020 verpflichtete der 1. FC Magdeburg Otmar Schork als Sportchef. Nach schwierigen Monaten im Abstiegskampf gelang dem Club mit dem von ihm verpflichteten Cheftrainer Christian Titz der Drittliga-Klassenerhalt. Mittlerweile führt der Verein die Tabelle in der neuen Saison an. Wir sprachen mit Otmar Schork über seine ersten Monate in Magdeburg, die Entscheidung für Christian Titz und was den FCM so besonders macht. 

 

Otmar, Du bist seit November 2020 Sportchef beim FCM. Was hat Dich in dieser Zeit am meisten überrascht?

Otmar Schork: Dass es uns gelungen ist, innerhalb weniger Monate einen Teamgeist zu entwickeln, der für die Wende bis hin zum sehr schnellen und vorzeitigen Klassenerhalt gesorgt hat. Aus Mutlosigkeit und Resignation konnten wir eine Euphorie mit viel Freude und Spaß entfachen. Das war außergewöhnlich in der Drucksituation, in der wir uns befanden.

 

Wie hast Du den FCM vor Deiner Tätigkeit in Magdeburg wahrgenommen?

Ich habe den FCM aus den direkten Zweitligaduellen mit dem SV Sandhausen gekannt. Die Fans waren stimmgewaltig und standen wie eine Macht hinter der Mannschaft. Als Gast ist man davon beeindruckt und wird auch eingeschüchtert. Richtig intensiv beschäftigt habe ich mich mit dem FCM erst im September 2020, als Aufsichtsratsmitglied Dr. Jörg Biastoch mich kontaktiert hatte. 

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Otmar Schork (re.) mit Cheftrainer Christian Titz.

Du bist in einer äußerst schwierigen sportlichen Zeit zu unserem Club gekommen. Wo hast Du anfangs angesetzt?

Das Wichtigste war zu Beginn, allen handelnden Personen von den Gremien, über das Trainerteam bis zu den Spielern die Zuversicht zu geben, dass uns der Klassenerhalt gelingt. Von der Herangehensweise war es wichtig für die Spieler, den Trainerstab und alle weiteren Mitarbeiter im sportlichen Bereich ein zuverlässiger Partner zu sein, um die anstehenden Probleme lösen zu können. Über das tägliche Vorleben schafft man Vertrauen. Das war eminent wichtig, weil zum Zeitpunkt meiner Verpflichtung die Frustration im und um den Verein herum sehr groß war, auch durch die Corona-Pandemie mit den Einschränkungen im öffentlichen Leben ohne soziale Kontakte und Geisterspiele. 

 

Welche Entscheidungen waren zu Beginn besonders wichtig?

Zunächst war es wichtig, die suspendierten Spieler Sören Bertram und Jürgen Gjasula wieder in den Mannschaftskader zu integrieren, um für einen guten Zusammenhalt zu sorgen. In der Winterpause wurden mit Baris Atik, Nico Granatowski und Saliou Sané drei Spieler verpflichtet, um die Offensive zu verstärken. Baris fiel gleich zu Beginn leider verletzungsbedingt für acht Spiele aus. Nach dem Rücktritt von Thomas Hoßmang galt es, den richtigen Trainer zu finden, der unser Offensivspiel verbessern würde. Vom Aufsichtsrat und Präsidium habe ich das Vertrauen gespürt, den neuen Cheftrainer allein und ohne externe Einflussnahmen vornehmen zu können. Letztendlich bin ich froh, mit Christian Titz den richtigen Trainer gefunden zu haben. 

  

Die Verpflichtung von Christian Titz als Cheftrainer war ein wichtiger Baustein. Wie bist Du auf ihn gekommen?

Bei der Trainerauswahl ging es zunächst darum, herauszufiltern, für welche Ideen, welches Spielsystem die einzelnen Kandidaten stehen und wie sie den vorhanden Spielerkader einschätzen. Auch Kriterien wie Mannschaftsführung, Rhetorik und Außendarstellung sind für mich wichtig. Drei Kandidaten waren in der engeren Auswahl. Letztendlich habe ich mich für Christian Titz entschieden. Seinen Weg hatte ich bereits seit einigen Jahren verfolgt, als er beim Hamburger SV die U-23-Mannschaft aufgebaut und junge Spieler entwickelt hat. Ich hatte damals Interesse an einigen seiner Talente. Seine Herangehensweise, mit offensiven und spielerischen Inhalten hatte mir imponiert und mir ein gutes Gefühl gegeben, dass es nun auch bei uns passen könnte. 

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Wie lief die Verpflichtung genau ab?

Das Heimspiel gegen Dynamo Dresden verloren wir in einem ausgeglichenen Spiel sehr unglücklich mit 0:1. Es gab auf beiden Seiten kaum Torchancen. Wir waren alle sehr enttäuscht und niedergeschlagen. Über das Wochenende ging ich für mich allein in Klausur und machte mir meine Gedanken, welche notwendigen Impulse für den Klassenerhalt gesetzt werden müssen. Es folgten intensive Gespräche mit einigen Spielern und mit Thomas Hoßmang. Wir haben die Situation gemeinsam reflektiert. Es lastete ein enormer öffentlicher Druck auf Thomas Hoßmang, was auch die Mannschaft beschäftigte. Dies hat auch Thomas so wahrgenommen und kam zur Erkenntnis, zurückzutreten, um den Weg freizumachen. Er zeigte Größe und es ging ihm nicht darum, über dem Verein zu stehen. Das war am Dienstag, 9. Februar 2021.

 

Wie ging es weiter?

Für mich war wichtig, bis zum folgenden Wochenende einen neuen Trainer präsentieren zu können, der bereits die Mannschaft zum Auswärtsspiel bei Türkgücü München betreuen konnte. Letztendlich war es eine Punktlandung, denn die Entscheidung fiel am Freitag, 12. Februar 2021, gegen 17.30 Uhr. Nachdem die vertraulichen Personen, die Gremien und die weiteren Verantwortlichen informiert waren, erfolgte noch am frühen Abend die Veröffentlichung.

Das entgegengebrachte Vertrauen vom Präsidium und Aufsichtsrat war enorm wichtig, um die richtige Entscheidung für den Verein zu treffen, ohne irgendwelche Beeinflussungen und Störfeuer von außen.

Christian Titz reiste noch in der Nacht an, leitete das Training am Samstag und bereitete die Mannschaft auf das Abendspiel am Montag in München vor. 

 

Was zeichnet Christian Titz aus?

Christian ist es vom ersten Tag an gelungen, jeden einzelnen Spieler und das gesamte Team positiv mitzunehmen, mit neuen Trainingsinhalten und Methoden. Er ist ausgeruht und unvoreingenommen die Aufgabe angegangen. Mit vielen Einzelgesprächen und enormer Überzeugungskraft gelang es sehr schnell, Zuversicht zu verbreiten und an den Klassenerhalt zu glauben. Die Mannschaft hat seine Vorstellungen enorm schnell umgesetzt. Dies war aber nur möglich, weil die Substanz im Kader mit Mentalität und Qualität vorhanden war. Es zeichnet ihn zudem aus, dass er den damaligen Trainerstab, der komplett im eigenen Nachwuchsleistungszentrum ausgebildet wurde, übernommen hat und auch mit ihnen bis zum heutigen Tag sehr gut zusammenarbeitet. Mit André Kilian haben wir außerdem einen Co-Trainer hinzubekommen, der uns fachlich sowie menschlich sehr gut tut und ein hohes Wissen in der Bewertung von potenziellen Neuzugängen hat.

 

Mit einem starken Endspurt gelang der Klassenerhalt. Wie hast Du die letzten Monate der vergangenen Saison erlebt?

Die Zuversicht, den Klassenerhalt zu schaffen, war immer vorhanden. Mit dem Szenario Regionalliga habe ich mich nie beschäftigt. Wir waren sehr erleichtert und auch selbst erstaunt, über die Art und Weise, wie wir die erforderlichen Siege eingefahren haben. 

 

Im Sommer durften endlich wieder Fans ins Stadion zurückkehren. Wie hast Du die Stimmung seitdem in der MDCC-Arena erlebt?

Die Anfangszeit im November 2020 war keinesfalls angenehm aufgrund der Auswirkungen der Pandemie mit den zahlreichen Hygienevorschriften, die umgesetzt werden mussten. Tägliche Testungen, Masken tragen, keine sozialen Kontakte in einer mir fremden Stadt und vor allen Dingen Geisterspiele waren schon eine Herausforderung, die ich mir anders vorgestellt hatte. Umso mehr war es beeindruckend, wie großartig uns die Fans in dieser Zeit vor und nach den Spielen rund ums Stadion unterstützt haben. Im Kampf um den Klassenerhalt entwickelte sich eine Euphorie, die ihresgleichen sucht. Die Heimspiele mit Zuschauern in dieser Saison sind wahre Festtage. Die durchgehenden Anfeuerungen und die Stimmung auf den Rängen im DFB-Pokal gegen den FC St. Pauli erzeugten Gänsehaut pur und sind außergewöhnlich. Jedem ist bewusst, wie sehr allen diese Stimmung, diese Emotionen gefehlt haben. Selbst beim Familientag zum Abschiedsspiel von Christian Beck kamen rund 18.000 Fans ins Stadion und waren alle bei guter Stimmung. Dies zeigt wie sehr die Menschen in Magdeburg und Umgebung den Verein leben und lieben. Das sind Momente, die ich nicht vergessen werde. 

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Sportchef Otmar Schork im Interview bei MagentaSport.

Was macht den FCM aus Deiner Sicht aus?

Die geografische Lage Magdeburgs ist etwas ganz Besonderes. Hier ist kein Ballungsgebiet wie in der Rhein-Neckar-Region rund um meinen Ex-Verein Sandhausen. Dort gibt es innerhalb von 80 Kilometern sieben Bundesligisten. Hier sind in der direkten Nähe lediglich die Vereine Braunschweig und Halle.

Die Menschen in der Stadt mit rund 245.000 Einwohner und die ländliche Region sind Blau-Weiß und für den FCM. Die Verbundenheit und Verwurzelung zum Verein ist sehr groß und zeigt wie viel der Club den Menschen hier bedeutet. Die Menschen begegnen mir gegenüber sehr offen und bedanken sich In letzter Zeit sehr oft dafür, dass es so gut läuft und ich beim FCM bin. Der Zusammenhalt im Verein mit den Fans ist etwas enorm Wichtiges. Gerade auch in schwierigen Zeiten, die im Profifußball eintreten können. 

 

Wo gibt es noch Entwicklungspotenzial?

In einigen Bereichen haben wir erhebliche Defizite. Diese gilt es, kurzfristig auch mit Notlösungen zu verbessern. Die Räumlichkeiten im Stadion sind ausgelastet und es gibt kaum Möglichkeiten der Erweiterungen. Für unseren Trainerstab mit sieben Personen stehen lediglich zwei Räume mit einer Dusche zur Verfügung. Dehn-, Gymnastik- und Fitnessübungen mit dem 30-köpfigen Spielerkader erfolgen in den Fluren. Die Rasenplätze auf dem Trainingsgelände bedürfen einer täglichen, intensiven Pflege und sollten immer in einem guten Zustand sein. Das ist der Arbeitsplatz unserer Spieler und Trainer. Wir arbeiten an diesen Defiziten und insbesondere der Rasenplatz im Stadion befindet sich mittlerweile in einem guten Zustand. Dies kommt der Spielweise unserer Mannschaft sehr entgegen. Mittelfristig ergeben sich gute Erweiterungsmöglichkeiten rund um das Stadion, die wir in Angriff nehmen, um die Rahmenbedingungen noch besser gestalten zu können.  

 

Wir sind richtig gut in die Saison gestartet und momentan Tabellenführer. Hat Dich dieser Lauf überrascht?

In dieser Form auf jeden Fall. Wir waren vor der Saison zwar guten Mutes, da wir einen Großteil der Leistungsträger gehalten und zudem Neuzugänge mit hohem Entwicklungspotenzial geholt haben. Dass die Mannschaft jedoch vom ersten Spieltag an bis heute einen dermaßen begeisternden und erfolgreichen Offensivfußball mit Ausdauer und Kontinuität spielt, war in dieser Art nicht zu erwarten.

 

Was macht die Mannschaft aus Deiner Sicht so stark?

Vier gewichtige Faktoren: Mentalität, Qualität, Charakterstärke und Teamgeist. Diese Eigenschaften sind Voraussetzungen für ein erfolgreiches Team.   

 

Weihnachten und der Jahreswechsel stehen bevor. Was wünscht Du Dir persönlich und sportlich für das Jahr 2022?

Dass es mir gelingt, auch in der Zukunft die richtigen Sachentscheidungen für den FCM zu treffen – im Verbund mit unserem Team, Präsidium und Aufsichtsrat. Ich hoffe, dass ich fit und gesund bleibe und weiterhin die notwendige Energie und Ruhe mitbringe, um die bevorstehenden Aufgaben zu meistern und den erfolgreichen Weg weiter gehen zu können. Außerdem hoffe ich, dass wir alle die Corona-Pandemie in den Griff bekommen und wieder zur Normalität zurückkehren können. Über Weihnachten und Neujahr freue ich mich auf eine schöne Zeit im Kreis meiner Familie. 

 

Interview: Manuel Holscher

Fotos: 1. FC Magdeburg / Norman Seidler